Energieverbrauch - Bedarfsausweis versus Verbrauchsausweis

 

Vor mehr als zwei Jahrzehnten wurden die ersten Energieausweise für Immobilien eingeführt. Seit der Einführung der Energieeinsparverordnung (EnEV) im Jahr 2007 sind diese Ausweise für alle Gebäude verpflichtend, die vermietet, verpachtet oder verkauft werden sollen. Diese Dokumente sollen potenziellen Mietern und Käufern auf einen Blick den Energieverbrauch eines Gebäudes anzeigen, den Vergleich verschiedener Immobilien ermöglichen und Eigentümer zur energetischen Sanierung anregen.

 

Der Energieausweis ist ein wichtiges Instrument, um den Energieverbrauch und die energetische Qualität von Gebäuden zu bewerten. Es gibt zwei Haupttypen von Energieausweisen: den Verbrauchsausweis und den Bedarfsausweis. Während der Verbrauchsausweis auf den tatsächlichen Energieverbrauch der Nutzer basiert, bietet der Bedarfsausweis eine detaillierte und nutzerunabhängige Analyse des theoretischen Energiebedarfs eines Gebäudes.

 

Der Verbrauchsausweis ist auf den ersten Blick attraktiv, da er kostengünstig und einfach online zu beantragen ist. Er basiert auf den gemessenen Energieverbrauchsdaten der letzten 36 Monate und kann ohne eine Begehung des Gebäudes erstellt werden. Allerdings hat dieser Ausweis erhebliche Schwächen: Die ermittelten Energiekennwerte hängen stark vom individuellen Nutzerverhalten ab und bieten daher keine verlässlichen Aussagen über die energetische Qualität des Gebäudes. Besonders problematisch ist dies bei einem Wechsel der Nutzungsart, wie zum Beispiel von einem Büro zu einem Labor, da die Energiebedarfsprognosen dann ungenau sind. Zudem ist die Erstellung eines Verbrauchsausweises bei Erstbezug oder unvollständigen Verbrauchsdaten nicht möglich.

 

Im Gegensatz dazu bietet der Bedarfsausweis eine präzisere und unabhängigere Bewertung des Energiebedarfs. Er wird durch die Erstellung eines digitalen Zwillings des Gebäudes ermittelt, der alle relevanten energetischen und technischen Daten umfasst. Diese Daten werden in ein dreidimensionales Gebäudemodell überführt, das in verschiedene Nutzungszonen unterteilt wird. Jede Zone hat spezifische Anforderungen an Heizung, Kühlung, Belüftung und Beleuchtung, was eine detaillierte Analyse ermöglicht. Die Erstellung eines Bedarfsausweises ist zwar aufwändiger und teurer, bietet aber genaue Informationen über die energetische Qualität des Gebäudes und mögliche Optimierungspotenziale.

 

Der Bedarfsausweis zeigt nicht nur den aktuellen energetischen Zustand eines Gebäudes, sondern auch konkrete Schwachstellen und Optimierungsmöglichkeiten. Dies ist besonders wichtig, da der Wertverlust bei Immobilien mit hohem Energiebedarf erheblich sein kann. Zudem können Eigentümer anhand des erstellten Gebäudemodells verschiedene Sanierungsmaßnahmen simulieren und deren Kosten, Aufwand und Nutzen vergleichen. Dies ist entscheidend, um Fehlinvestitionen zu vermeiden und die energetische Sanierung effizient zu planen.

 

Ein Energiebedarfsausweis ist online bereits für etwa 100 Euro erhältlich. Jedoch ist es in der Regel zuverlässiger, einen Experten wie einen Schornsteinfeger oder Energieberater zu engagieren, der eine Vor-Ort-Begutachtung durchführen kann. In diesem Fall belaufen sich die Kosten für einen Bedarfsausweis auf 300 bis 500 Euro.

 

Immobilienbesitzer haben grundsätzlich die Wahl zwischen einem Bedarfs- und einem Verbrauchsausweis für ihre Immobilie. Jedoch gibt es Situationen, in denen ein Bedarfsausweis verpflichtend ist:

 

·         Für Mehrfamilienhäuser mit bis zu vier Wohneinheiten, die nicht den Standards der Wärmeschutzverordnung von 1977 entsprechen.

  • Nach kürzlich erfolgten energetischen Sanierungen, wie zum Beispiel nachträglicher Fassadendämmung
  • Erneuerung von mehr als 10% der Fläche eines Außenbauteils 


In diesen Fällen fehlen aktuelle Verbrauchsdaten für einen Verbrauchsausweis. Bei Neubauten, da hier keine Verbrauchsdaten der vergangenen drei Jahre vorliegen. In allen anderen Fällen steht es den Eigentümern frei, welche Art von Energieausweis sie wählen.

 

Die energetische Sanierung von Gebäuden wird durch zahlreiche Fördermaßnahmen unterstützt. Diese umfassen zum Beispiel Zuschüsse für die Energieberatung und die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen. Die Energieberatung kann mit bis zu 80 Prozent der Kosten gefördert werden, während die Sanierungsmaßnahmen selbst je nach Art und Umfang der Maßnahmen unterschiedlich bezuschusst werden. Der Bedarfsausweis ist ein wichtiger erster Schritt, um den energetischen Zustand eines Gebäudes zu bewerten und gezielte Sanierungsmaßnahmen zu planen.